Günter Grass hat sich in einem Gedicht zum Konflikt zwischen Israel und Iran geäußert. Über die Qualität des Gedichtes mag man geteilter Meinung sein. Jedoch, was an Beschimpfungen jetzt über Grass hereinbricht ist weit jenseits von Kritik, die man – auch politisch motivierten – künstlerischen Werken angedeihen lassen sollte.
Günter Grass hält Israel vor, dass es durch einen Erstschlag das gesamte iranische Volk auslöschen könnte, nur weil vermutet werde, dass Teheran eine Atombombe baue. Dabei habe Israel selbst ein wachsendes nukleares Potential, das keiner Prüfung zugänglich sei. Zudem kritisierte Grass die deutsche Außenpolitik, die Israel mit U-Boot-Lieferungen unterstütze. Wenn man die Lage im Nahen Osten betrachtet, kann man durchaus zu diesem Schluss kommen.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann erklärt den Beitrag des Nobelpreisträgers zum „Hasspamphlet“, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, wirft Grass ein „durchschaubares Schmierentheater“ vor, die israelische Botschaft in Berlin versteigt sich zu der Aussage, es gehöre zur europäischen Tradition, die Juden vor dem Pessach-Fest des Ritualmords anzuklagen. Dass sich Jüdische Organisationen durch dieses Gedicht auf den Schlips getreten fühlen, kann man ja durchaus noch verstehen. Dass ihre Vertreter verbal jedoch derart schweres Geschütz auffahren, kann man eigentlich nur mit einem Sprichwort erklären: „Der getroffene Hund bellt“.
Reflexartig springen auch Politiker der CDU Israel zur Seite. Ruprecht Polenz, der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses meint, Grass verwechsele Ursache und Wirkung. „Er stellt die Dinge auf den Kopf“. Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion erklärte: „Das Gedicht ist geschmacklos, unhistorisch und zeugt von Unkenntnis der Situation im Nahen Osten.“
Den Gipfel erreicht jedoch Josef Joffe in seiner Analyse in der „Zeit“. Er versucht sich in Küchenpsychologie und unterstellt dabei Grass, mit der Anklage Israels seine eigene Schuld während der Nazi-Zeit zu relativieren.
Ein Gedicht, das – meiner Meinung nach durchaus milde – die Lage aus einem anderen als dem offiziell vermeldeten Blickwinkel betrachtet, löst einen solchen Wirbel aus. Alle Achtung kann man da nur sagen. Was würde erst passieren, wenn jemand seine Meinung einmal in etwas deutlicheren Worten ausdrücken würde?