FDP-Bashing


Ich hätte nie gedacht, dass ich diese FDP einmal in Schutz nehmen würde. Heute ist es so weit. Transfergesellschaften abzulehnen, halte ich für grundsätzlich richtig.

Erstens haben sich Transfergesellschaften als weitestgehend nutzlos erwiesen, Naja, nutzlos für die Arbeitnehmer, die in diese Transfergesellschaften ausgegliedert werden. Für die Betreiber dieser Gesellschaften und für den Insolvenzverwalter haben Transfergesellschaften sehr wohl einen Nutzen. Die Betreiber können mit wenig Aufwand richtig Kohle machen und die Insolvenzverwalter haben das Klagerisiko minimiert.

Zweitens ist diese Maßnahme ungerecht verteilt. Transfergesellschaften werden fast ausschließlich bei großen Firmen eingesetzt. Die Arbeitnehmer, die in kleinen und mittleren Betrieben entlassen werden (müssen), fallen ohne Abfederung direkt in das ALG I.

Drittens ist gerade im Fall Schlecker die Situation auf dem Arbeitsmarkt für die betroffenen (meist) Frauen einigermaßen entspannt. Stehen doch den 11.000 Gekündigten anscheinend 25.000 offene Stellen entgegen.

So gesehen war die Entscheidung der FDP, sich gegen Transfergesellschaften zu stellen, gar nicht so verkehrt. Sie war „nur“ taktisch ein Griff ins Klo. Was jetzt als Bild von der FDP zementiert wird, ist das Bild einer Partei der sozialen Kälte. Den armen Schlecker-Mitarbeiterinnen, die sowieso schon genug damit gestraft waren, einen solchen Arbeitgeber zu haben, hätte man die Kündigung doch etwas versüßen können. Die Empörung darüber wird von den anderen Parteien lauthals in alle Medien posaunt, auf dass der Wähler merke, wo die wirklich sozialen Politiker zu finden sind. Das ist alles Wahlkampfgetöse und die Schlecker-Pleite ist nur wohlfeiles Mittel zum Zweck. Man sieht hier sehr deutlich, dass Politik heute und hierzulande nichts – aber auch gar nichts – mehr damit zu tun hat, was sinnvoll und vernünftig ist. Unvernunft wird als soziale Kompetenz verkauft, Vernunft als matktradikale Kälte gebrandmarkt.

Aber nur weil Fippsis Truppe auch mal was richtig gemacht hat, wird es mich nicht grämen, wenn sie bei den anstehenden Landtagswahlen endlich auch mal die Null vor dem Komma schaffen.

12 Gedanken zu „FDP-Bashing

  1. Ob das Beispiel nun zufällig passt oder nicht in diesem speziellen Fall: Die FDP warund ist IMMER die Partei der sozialen Kälte. Es trifft also den Richtigen, wenn auch vielleicht nicht unbedingt in dieser Sache. Alles fein bis dahin.

  2. Hallo bravo56,

    bzgl. der Arbeitsmarktsituation bei Drogerie-Fachverkäuferinnen: in den städtischen Ballungsräumen und oder junge, ungebundene Kräfte dürften schnell an neue Jobs kommen. Wenn du aber in einer strukturschwachen Gegend wohnst, 40+ und familiär gebunden bist, sieht die Sache wieder anders aus.

    Ohne auf konkrete Daten zugreifen zu können, würde ich vermuten, dass die Mehrheit der Schlecker-Arbeitnehmerschaft eher zu letzterer Kategorie gehört. Ich befürchte, dass viele keinen neuen Job finden werden, weil sie diese „Vermittlungshämnisse“ aufweisen.

    Was wäre eigentlich gewesen, wenn die FDP nicht in zwei Wahlkämpfen stecken würde und ihre „Kernkompetenz“ beweisen müsste? Dass sieht mir, mal unabhängig von der Vernunft, eher nach Wahlkampf aus, was die FDP hier treibt.

    Bzgl. der Vernunftfähigkeit von Politik: ich kann deine Ausführungen zu Transfergesellschaften nicht beurteilen weil von der Thematik keine Ahnung habe. Was ich aber dennoch glaube beurteilen zu können ist, warum macht die Politik, was sie macht.

    Politiker, wollen wie wir alle, ihren Nutzen maximieren – mit wenig Input viel Output generieren. Dieses Ziel ist rational und „vernünftig“. Der Weg zu diesem Ziel muss nicht immer rational sein, zumal hier erst mal geklärt werden muss was der Maßstab ist: ein volkswirtschaftlicher, ein betriebswirtschaftlicher, ein juristischer, ein ethisch/moralischer…

    Damit ich nicht falsch verstanden werde, Politiker treffen auch unvernünftige Entscheidungen, manchmal bewusst, manchmal unbewusst. Diese müssen kritisiert und korrigiert werden.

    Du hast den Eindruck, Politik sei mit der Zeit unvernünftiger geworden. Ich kann dies mangels Alterserfahrung nicht beurteilen. Dein Eindruck sei dir unbenommen.

    Wir haben eines der schärfsten Datenschutzgesetze in der EU, wir haben ein liberalisiertes Ehe- und Scheidungsrecht, unsere Medienlandschaft ist, im Verhältnis zu anderen, breit aufgestellt. Dem kann man natürlich eine tiefere soziale Spaltung entgegenhalten: größere Lohnschere, größere Bildungsschere, größere Schere im sozialen Status sowie eine größere Unsicherheit über mögliche zukünftige Leistungen der Sozialsysteme. Die Qualität der Medien ist gesunken. Die Atomisierung der Gesellschaft ist voran geschritten.

    Welchen Einfluss hat hier unvernünftige Politik, unvernünftiges Wirtschaften, unvernünftiges (individuelles) Verhalten auf die Entwicklung? Was ist objektiv nachweisbar, was ist nur ein subjektiver Eindruck, der sich bei genaueren Hinschauen wieder verflüchtigt?

    Du siehst, ich tue mich ein bisschen schwer damit, der politischen Klasse pauschal unvernünftigere Politik vorzuwerfen. Das Schlecker-Beispiel scheint ein guter Beleg für diese These zu sein. Es ist aber auch Beleg für die mediale Erwartung, die Erwartung der Leute, das Politik, wie auch immer, agiert. Es ist Beleg für das Scheitern eines Unternehmenskonzeptes, für die falschen Strukturen dort. Und es ist eben auch ein Beleg, das die Leute ihr Einkaufserwartungen ändern. Diese müssen nicht immer von Vorteil für Unternehmen, für die Gesellschaft sein.

    Ich bin gerade vom 100. ins 1000. gekommen, so ist unsere Gesellschaft nun mal.

    Gruß, David Marien

  3. Wenn Politiker wirklich nachdenken und auch bewusste Entscheidungen treffen würden, könnten siecker-Insolvenz ja mal zum Anlass nehmen, sich mal generell über die Situation von Arbeitslosen Gedanken zu machen. Die Schlecker-Mitarbeiterinnen sind plötzlich so was wie Heldinnen der Arbeit, wer aber erstmal beim AlGe II gelandet ist, der ist nur noch Abschaum. Ist das nicht schräg?

    • Das „Raumschiff Berlin“ kann sich Gedanken machen über die Situation verschiedenster Gruppen. Sich aber tatsächlich die Situation der Menschen zu vergegenwärtigen schaffen sie dort nicht. Dazu sind sie vom realen Leben der Menschen zu enthoben. An dem Punkt kann man nun beginnen sich Gedanken über das Berufspolitikertum zu machen.

  4. Hallo,

    was bitte ist denn die Alternative zu Berufspolitikern? Multimillionäre, die in die Politik einsteigen (USA)? Prominente, die eine gewisse „Aura“ austrahlen? Der „einfache Mann/Frau“ aus dem Volk? Wie wird diese Person ausgewählt, von wem? Wie wird die Entlohnung so geregelt, dass man anständig bezahlt wird, ohne das die Motivation entsteht dauerhaft Politik betreiben zu wollen? Auf einmal sind doch wieder beim Berufspolitiker, der im Raumschiff sitzt.

    Macht entfremdet. Wenn du den ganzen Tag mit Milliarden-Beträgen hantierst, geht der Bezug zu zehn Euro verloren. Wenn du (notgedrungen) den ganzen Tag mit Eliten verbringen musst, verlierst du den Bezug zur Nicht-Elite.

    Ich will, auch wenn es so aussieht, unsere Berufspolitiker nicht in Schutz nehmen. Es gibt jedoch Mechanismen, die Politiker, die so werden lässt wie sie sind. Frz. Revolutionäre sind gescheitert, die ostdeutsche Bürgerrechtsbewegung ist verschwunden, ob die Piraten ihren Kurs werden halten können, wird spannend zu beobachten sein.

    Wer glaubt Herrschende und Beherschte zusammenführen zu können hängt genauso einer Utopie an, wie Diejenigen, die glauben eine klassenlose Gesellschaft errichten zu können. Es ist nicht schlecht nach Utopien streben zu wollen, im Gegenteil.

    Das Raumschiff „Politik“ fliegt schon seit 5000 Jahren, es wird auch weiterhin fliegen. Ziel kann nur sein den Abstand zur Erde zu minimieren. Das ist schon Aufgabe genug.

    Gruß, David Marien

  5. David, Ihr „Da kann man eh nix machen“-Anteil in Ihrem Text stört mich, weil er zu gross ,zu resigniert und jede Ambition vermissen lässt.

    Um kein Buch abzuliefern, bleibt nur der knappe Anriss:
    Die _permanenten_ Machtstrukturen sind das Problem. Wenn man das System so auslegt, dass ein wichtiges Projekt von einer Gruppe entschieden wird (damit hat diese Gruppe Macht), sich diese Machtstruktur nach Erledigung des Projekts wieder auflöst, auf dass das nächste Projekt von einer anderen Konstellation entschieden werden kann – dann, und nur dann, ist Ihre Passage zu vermeiden, die da lautet:

    „Macht entfremdet. Wenn du den ganzen Tag mit Milliarden-Beträgen hantierst, geht der Bezug zu zehn Euro verloren. Wenn du (notgedrungen) den ganzen Tag mit Eliten verbringen musst, verlierst du den Bezug zur Nicht-Elite.“

    Statt zu resignieren vor dem „Das ist eben so“, wärees erfreulich, wenn etwas mehr Innovationsbereitschaft und Erfindungsreichtum ins Spiel käme, um zementierte Machtstrukturen zu vermeiden. Denn das muss das Ziel sein.

  6. Hallo uhupardo,

    es gibt einen Unterschied zwischen „da kann man nichts machen“ (Status Quo) und „Ziel kann nur sein den Abstand zur Erde [zu den Menschen] zu minimieren“ (verlassen des Status Quo.)

    Wenn ich schreibe, das der Abstand verringert werden soll, ziele ich doch darauf ab, etablierte Machtstrukturen zu ändern.

    Man kann eine plötzliche Veränderung anstreben, die nicht intendierte Folgen, nach sich ziehen. Die Franzosen und auch wir Deutschen wissen das nur zu gut. Nur weil ich sage, das Raumschiff Politik, wird weiter fliegen, deswegen ist mir dessen Umlaufbahn doch nicht egal. Ich bin resigniert, ich bin Innovationslos? (um mal ihre Worte auf mich zu münzen)

    Ich finde die These Machtabstände minimieren zu wollen höchst innovativ. Dass dieser Abstand aufzulösen sei erzählt man doch schon seit 200 Jahren ( seit 5000, wenn man die Religion dazu nimmt) Was ist also innovativ? Das Absolute fordern zu wollen, 0 oder 1? Oder eher das Relative, von A -> A – x?

    Da wir die „Politiker“ und ihr Gottesgnadentum des Absolutismus abgeschafft haben und durch Politiker, die durch Wahlen immer nur relative Macht besitzen, ersetzt haben, wird mir um unsere Innovationsfähigkeit nicht bange. Wir bekommen das Raumschiff Politik noch recht nahe zur Erde. Dabei werden auch weiterhin Mechanismen der Macht wirken, die schon seit 5000 Jahren wirken. Wir müssen sie zur Kenntnis nehmen, Veränderung zu erreichen.

    Gruß, David Marien

  7. Unser System, das darauf hinausläuft, dass jemand sich mit jungen Jahren in einer Partei engagiert und dann irgendwann in Parlamenten sitzt, um danach nichts anderes mehr zu machen als eben Politik, fördert die Distanz der Politiker zum Leben der Menschen extrem. Uhupardo hat einen Denkansatz gezeigt, wie man versuchen kann, dieses Dilemma abzumildern. Es gäbe auch die Möglichkeit dassAbgeordnete nur maximal zwei Legislaturperioden in einem Parlament tätig sein dürfen. Nur mal so dahingedacht. Bestimmt kann man sich auch noch andere Mechanismen ausdenken.

  8. Es wäre mal interessant, zu definieren, was ein Berufspolitiker ist. Ist der politische Beamte Landrat/Bürgermeister ein Berufspolitiker? Oder erst ein Landtagsabgeordneter und Landesminister?

    Was sind die Merkmale an denen ich Entfremdung, Distanz zu den Menschen messbar machen kann?

    Bevor mir Jemand „da kann man eh nichts machen“ vorhält, ich versuche mich dem Thema wissenschaftlich zu nähern. Klar, ich verspüre auch dieses Gefühl das „die da oben“ keinen Bezug mehr zu uns haben. Es gibt des öfteren eine Lücke zwischen Gefühl und Realität.

    Selbst wenn es eine messbare Entfremdung der Politiker gäbe, welchen Einfluss hat sie, neben anderen Faktoren, auf die Politik: Auswahl der Parlamentarier durch Parteien, Durchsetzung des Fraktionszwangs, Informationsvorsprung der Regierung ggü. Parlament….

    Meine Vorschläge zur Reform des Abgeordnetenmandats ab Landesebene:

    – Kumulieren und Panaschieren auf den Listen (Schwächung der Parteien)
    – flexible Fraktionen: jederzeit können sich Gruppen bilden, die Anfragen, Anträge u. ä. einbringen können (Schwächung des Fraktionszwangs)
    – den Informationsvorsprung abmildern zu können halte ich für sehr schwierig bis unmöglich, wenn ich von Autos keine Ahnung hab, kann der Autoverkäufer seinen Informationsvorsprung gekonnt für sich ausnutzen. Wenn wir mehr Abgeordnete außerhalb des Raumschiffs haben wird sich dieses Problem verstärken, weil man sich sich in die „Verwaltungstechnik“ erst einarbeiten muss.

    Ich könnte mir Maximal-Legislaturperioden, unter der Annahme der Machtanhäufung ja noch vorstellen, selbst diese Annahme ist schon schwierig, wie misst man Macht?

    Aber Maximal-Legislaturperioden unter der Annahme von Entfremdung? Ich könnte mir vorstellen die Auswahl der Landeslisten, sowie der Fraktionszwang hat einen viel größeren Einfluss auf Politik hat als die Entfremdung. Dass sie einen Einfluss hat, leugne ich nicht.

    Vorauswahl und Fraktionszwang sind messbar, wie misst man Entfremdung?

    Ich beginne mich zu wiederholen, ein gutes Zeichen Aufzuhören. 🙂

    Gruß, David Marien

  9. Bezüglich des Themas hab ich noch keine fertige Meinung, kann aber sagen, dass ich Transfergesellschaften bisher ebenfalls als nutzlos empfinde. In meinem Bekanntenkreis war auch jemand in so einem Ding. Hat ihm und wohl auch seinen entlassenen Kollegen rein gar nichts gebracht.

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