Zur Wahl eines Bundespräsidenten


In den letzten Wochen wurde viel darüber geschrieben, ob das Amt des Bundespräsidenten überhaupt noch zeitgemäß ist oder wie man die Bevölkerung besser in die Wahl des Bundespräsidenten einbinden kann (etwa durch Direktwahl des Bundespräsidenten).

Ich halte es für eine gute Idee, ein Staatsoberhaupt zu haben, das nicht direkt in die Tagespolitik eingebunden ist und das deshalb den Bürgern oder aber auch den Politikern moralisch und ethisch eine Richtung weisen kann. Die Diskussion ob das Amt nicht doch obsolet sei, flammt gerade dann auf, wenn schwache Bundespräsidenten im Amt sind. Gäbe man das Amt auf, hätte man keine schlechten Präsidenten mehr, aber auch nie mehr die Chance, einen guten Präsidenten zu bekommen.

Die Bevölkerung mehr in die Wahl eines Präsidenten einzubeziehen und dem Volk damit mehr Mitspracherecht zu bieten ist jedoch ein guter Ansatz, die Demokratie wieder etwas zu stärken. Eine Direktwahl des Präsidenten halte ich für ausgeschlossen. Ein direkt gewählter Präsident hätte das stärkste Mandat aller Bundespolitiker, jedoch die wenigsten Machtbefugnisse. Das passt nicht zusammen. Es bleibt eine Möglichkeit, die mir durch einen Blogeintrag (hier) in den Sinn kam. Es geht um das Vorschlagsrecht für den Bundespräsidenten. Dieses Vorschlagsrecht steht jedem Mitglied der Bundesversammlung zu. Das könnte man aber auch jedem wahlberechtigten Bundesbürger zugestehen. Damit es dann aber nicht zu 62 Millionen Kandidaten kommt, sollte jeder Kandidat eine bestimmte Zahl von Unterstützern vorweisen müssen. Die Zahl der benötigten Unterstützer könnte bei 70.000 liegen, da ein Mitglied der Bundesversammlung in etwa so viele Bürger vertritt.

5 Gedanken zu „Zur Wahl eines Bundespräsidenten

  1. Hallo bravo56,

    ich weiß, jetzt kommt ein Totschlagargument: was machen wir, wenn Horst Schlemmer, Georg Schramm und Günther Jauch jeweils mehr als 300.000 Stimmen gekommen, Herr Voßkule, Klaus Töpfer und Margot Käßmann aber nur 80.000 Stimmen?

    Ignorieren (bis auf Schlemmer) geht nicht, wenn sie zur Wahl zugelassen werden besteht das Risiko, dass wenn populäre Kandidaten nicht gewählt werden, die Politik(er)verdrossenheit weiter steigt.

    Außerdem hat die BILD dann auf die Kandidatensuche so viel direkten Einfluss wie nie zuvor.

    Ich denke, wenn wir das Volk mehr beteiligen wollen, dann richtig. Das setzt dann aber grundlegende Änderungen am GG voraus. Die oben angedeuteten Konsequenzen schlagen dann voll durch, dessen bin ich mir bewusst. Entweder ich traue dem Volk und kalkuliere gewisse Risiken mit ein oder ich misstraue ihm, wenn ich Politik berechenbar bleiben soll. Da sie dass zur Zeit nicht ist, ist das letztgenannte Argument eher schwach.

    Der von dir geäußerte Vorschlag führt letztendlich zur Illusion von Beteiligung. Die Auswahl der Kandidaten wird verbreitert, mehr Kandidaten kämen außerhalb des Parteienspektrums. Mehr hast du damit nicht gewonnen. Die Wahl der Kandidaten bleibt der, wie schreibst du so schön, Politikerkaste vorbehalten. Das Kandidatengeschacher, die Einflussnahme auf die Wahlmänner sowie der (eigentlich nicht existente) Fraktionszwang bleibt erhalten. Die meiner Meinung nach eigentlich wichtigen Probleme, der parteipolitischen Einflussnahme, sowie das Wählen handzahmer Kandidaten bleibt erhalten.

    Ich sehe nicht den Mehrwert des Vorschlages, weder aus persönlicher noch aus politikwissenschaftlicher Sicht. Es ändert sich nichts.

    Gruß, David Marien

  2. Jede Änderung des Wahlverfahrens des Bundespräsidenten verlangt eine Änderung des GG. Der Präsident hat bei uns aus wichtigen Gründen wenig direkte Macht. Das finde ich richtig und deshalb wäre eine Direktwahl, die Du wohl präferierst, nicht meine Option.
    Ich habe hier einfach mal eine Spontanidee in den Ring geworfen und Du hast auch schon Mängel daran gefunden. Es stimmt, die Politikerkaste hätte letztendlich das Sagen und allein das Vorschlagsrecht bringt noch nicht viel. Also wäre die Zusammensetzung der Bundesversammlung zu überdenken. Wenn da mehr – ich sag mal – einfache Bürger als Politiker drin wären, dann kämen wir der Sache doch schon etwas näher. Oder?
    Die Wahl des Bundespräsidenten ist nur ein schwacher Ansatzpunkt, die Demokratie zu stärken. Das ist mir auch bewusst. Der Bevölkerung mehr Entscheidungsmacht zu geben hiesse einfach, Plebiszite einzuführen. Mit den von Dir angedeuteten Risiken. Ich wollte mich hier aber auf ein kleines Mosaiksteinchen beschränken.
    O.T.
    Du macht Dir über viele meiner Beiträge Gedanken und äusserst sie auch hier. Das ehrt mich und macht mir Freude. Danke.

  3. Hallo bravo56,

    wie Staatsoberhäupter legitimiert werden sollen, nach dieser Antwort suchen Wissenschaftler seit Jahrhunderten. Dass wir beide keine „perfekten“ Lösungen bieten können ist klar.

    Es ist und bleibt aber widersprüchlich, wenn einerseits die politische Klasse als Kaste klassifiziert wird, man ihre Arbeit ablehnt, andererseits jedoch, seinen Mitbürgern misstraut die richtige „Entscheidung“ zu fällen.

    Die Franzosen und auch die Amis fahren mit ihren Präsidialdemokratien gut. Dass es eine Tea-Partei und eine Front National gibt, sie politische Macht ausübt, gehört leider dazu.

    Bevor du mir berechtigte Gegenargumente bzgl.. der Güte des US-Politiksystems entgegenbringst, ja, es ist alles andere als perfekt. Ich will es nicht als Vorbild stilisieren. Sowohl Franzosen wie auch Amis sind mit den Nachteilen ihres politischen Systems viel direkter konfrontiert wie wir. Sie werden halt nicht so durch die Parteien von der politische Klasse abgeschirmt wie wir.

    Niemand kann sagen, ob eine deutsche Präsidialdemokratie besser funktionieren wird als das jetzige parlamentarische System. Wenn wir es nicht probieren, werden wir es nicht wissen, es bleibt ein Risiko, das ist aber überschaubar.

    Dass erinnert mich an unsere deutsche Mentalität. Eigentlich ist alles Scheiße, es ist aber nicht beschießen genug, das wir ernsthaft etwas riskieren wollen. In der selben Zeit, wo die Franzosen drei Staatsumformungen gemacht haben, ist bei uns nichts passiert. Nicht, dass ich Robbespiere und Napoleon auch gewollt hätte. Sie hatten aber schon gewisse Demokratieerfahrungen durch ihr Risiko gesammelt, als wir noch zu Hindenburg gestolpert sind.

    Wir hätten rechtzeitig ein blaues Auge riskieren sollen. Wir haben uns, mangels Erfahrung eines blauen Auges, in einen Kampf begeben. Durch Selbstüberschätzung und Verblendung haben wir uns bis an den Rand des Todes „gekämpft“

    Ich schweife schon wieder ab….

    Gruß, David Marien

  4. Zum Thema mehr Bürger in der Bundesversammlung:

    Wie sollen diese Bürger aus der „Bürgermasse“ gefiltert werden? Machen das wieder Parteien, wenn sie es tun, haben wir das selbe in Grün. Parteisolidarität und so. Wenn sie nicht filtern sollen, wer oder was ist dazu in der Lage? Wie wie wird das GG-konform umgesetzt? Wie wird das legitimatorisch umgesetzt? Sind solche Verfahren zielführend?(i. S. v. wie wird garantiert, dass Parteien keinen Einfluss auf die Filterung ausüben können) Gibt es ein angemessenes Kosten-Nutzen Verhältnis bei diesen Filterverfahren?

    Die Parteien blieben auch weiterhin dominant, außer, sie würden vollständig ausgeschlossen, bzw. zu mindestens zur Minderheit degradiert werden. Wäre dies dem Wähler politischer Parteien ggü. angemessen? Wäre dies GG-konform?

    Ich sehe nach 5 Min. überlegen, zu viele offene Fragen, bei einem sehr geringen Nutzengewinn. Wir bleiben eine Parteiendemokratie -> Parlamentarismus. Wie gesagt, du änderst nicht wirklich viel. Du erreichst nicht wirklich dein Ziel, den Parteien jemanden an die Seite zu stellen, der sie marginalisiert. Die sind nämlich gar nicht marginalisierbar. Schau dir die Wahlbeteiligung, als Beispiel an.

    Sorry, wenn ich deine Vorschläge so zerpflücke, wollte nur zeigen, dass andere Geschütze aufgefahren werden müssen. Das GG hat die Parteien nicht umsonst einen Bunker verschanzt.

    Wenn das alles so einfach wäre ….

    Gruß, David Marien

    • Es ist völlig ok, wenn Du meine Vorschläge zerpflückst. Zumindest, wenn Du es so machst, wie du das tust. Nämlich vernünftig begründet.
      Mein Vorschlag war – wie schon gesagt – ein gedanklicher Schnellschuss. Er sollte kein Universalvorschlag zur Änderung des gesamten Systems sein.
      Dieser „Bürgeranteil“ in der Bundesversammlung könnte könnte sich zum Beispiel aus 3 zufällig ausgewählten wahlberechtigten Personen je Wahlkreis zusammensetzen.
      Dann hätten wir 897 Bürger neben den ca. 620 Bundestagsabgeordneten in der Bundesversammlung.
      Schön fand ich deinen Satz: „Eigentlich ist alles Scheiße, es ist aber nicht beschießen genug, das wir ernsthaft etwas riskieren wollen.“ Der beschreibt die deutsche Mentalität wirklich sehr gut. Genau deshalb wird alles so bleiben, wie es ist.

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